Aktuelle Infos zur Aufnahme von
Fluechtlingen aus dem Irak in Deutschland (Resettlement)
Stand: 11.04.2009
Liebe KollegInnen,
anbei aktuelle Infos zur Aufnahme von Flüchtlingen aus dem Irak in
Deutschland:
* Anordnung des BMI vom 5.12.08
zur Flüchtlingsaufnahme nach § 23 AufentG
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/bmi_resettlement_irak_051208.pdf
* Infopapier des UNHCR vom Januar
2009 zum Ablauf des Auswahlverfahrens
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/UNHCR_Resettlement_0109.pdf
Weitere Infos zur Auswahl, zur Aufnahme und zum aufenhalts- und
sozialrechtlichen Status:
1. Aktuelles zum Resettlement irakischer Flüchtlinge
2. Rotes Kreuz fordert Programm zur Flüchtlingsaufnahme
3. Zur Flüchtlingsaufnahme in der EU
4. Die Anordnung des BMI zur Flüchtlingsaufnahme
5. Zum Auswahlverfahren des UNHCR und des BAMF
6. Aufenthaltsrechtlicher Status, Familiennachzug
7. Sozialer Status und Sozialleistungen
Mit freundlichen Grüßen
Georg Classen
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de
1. Aktuelles zum Resettlement
irakischer Flüchtlinge
Etwa 500 Flüchtlinge hat der UNHCR dem BAMF bis Ende Januar 2009
zur Aufnahme
in Deutschland vorgeschlagen, die weiteren Vorschläge sollten in
den darauffolgenden Wochen erfolgen. Mitte Januar 2009 hat das BAMF in
Damaskus und Amman mit
den
Interviews der vom UNHCR vorgeschlagenen Flüchtlinge begonnen.
Angestrebt zu sein scheint, die Aufnahme ("Resettlement") der 2500 irakischen
Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien innerhalb von sechs
Monaten
abzuschließen. BMI und UNHCR haben sich zur Terminplanung nicht
genauer geäußert, zumal das Verfahren viele
Unwägbarkeiten hat wie z.B. die Kapazitäten bei BAMF, UNHCR
und IOM, die Erreichbarkeit der Flüchtlinge, von denen oft nur
eine Mobiltelefonnummer vorliegt, das Ergebnis der Prüfung ihrer
Dokumente, usw.
Inzwischen wurde bekannt, dass die in Syrien in besonders prekären
Verhältnissen an der Grenze zum Irak untergebrachten palästinensischen Flüchtlinge
aus dem Irak, die anders als die anderen in Syrien lebenden
Flüchtlinge aus dem Irak gezwungen werden in Lagern zu leben,
wohl mangels irakischer Staatsangehörigkeit vom Resettlement
ausgeschlossen sein sollen.
Anlässlich einer Fachtagung
des DRK am 23.01.09 in Berlin referierten u.a in Syrien und
Jordanien in der
medizinischen Flüchtlingshilfe tätiger DRK-Mitarbeiter, ein
Referatsleiter des Bundesinnenministeriums (BMI), ein Vertreters des
UNHCR und eine Mitarbeiterin der Berliner Integrationsbeauftragten zum
Resettlement.
Kritisiert wurde, dass die vom BMI erlassene
Anordnung
zum
Resettlement - anders als bei anerkannten
Flüchtlingen - einen späteren Familiennachzug (Visum für ggf.
nachreisende Ehegatten und Kinder) durch die in diesem Fall von den
Angehörigen geforderte Deutschkenntnisse faktisch weitgehend
ausschließt. Das Grundrecht auf Familie wird somit auch für
diese Gruppe in fragwürdiger Weise beeinträchtigt (dazu
unten unter 6.).
Für Empörung sorgte auf der Fachtagung des DRK die
Information, dass
einige
Bundesländer mit
Niedersachsen vereinbart hatten, die Flüchtlinge im Anschluss an
das für alle geltende 14tägige Aufnahmeprocedere im Grenzdurchgangslager Friedland
für drei Monate in das als Ausreisezentrum
berüchtigte Lager Bramsche
(Hintergrundinfos hier)
bei Osnabrück einzuweisen, wo ein "Integrationskurs"
durchgeführt werden sollte. Nur vor Ort zu
klärende Fragen wie die Wohnungssuche, Arbeitssuche, die
Integration der Kinder in die Schule, die Aufnahme sozialer Kontakte,
die Einleitung psychotherapeutischer und medizinischer Hilfen sowie die
Beantragung von Sozialleistungen werden durch die Lagerunterbringung
und den mehrfachen Ortswechsel unnötig erschwert und
verzögert. Durch die Isolation im Lager wird Integration
verhindert statt gefördert. Beratungsstellen für Folteropfer
weisen darauf hin, dass Traumatisierte oftmals gar nicht in der Lage
sind, gleich nach Ankunft an einem Sprachkurs teilzunehmen.
In der Sitzung des Niedersächsichen Landtags am 19.02.09 hatte
Niedersachsens Innenminister
Schünemann
Einzelheiten zum Konzept zur Aufnahme irakischer
Flüchtlinge mitgeteilt. Ab Mitte
März 2009 sollen alle 14 Tage
145 Flüchtlinge über dem Flughafen Hannover einreisen.
Schünemann hatte die Einweisung nach Bramsche
bestätigt und ergänzt, dass dort eine (ggf. rechtswidrige,
s.u.) Sachleistungsverpflegung vorgesehen ist. Nur "offensichtlich
schwer Traumatisierte" sowie "Schwerstkranke" sollen
direkt an den endgültigen Aufnahmeort zugewiesen werden. Aussagen
zur Integration in
reguläre Wohnungen, Schulen, Ausbildungs- und
Arbeitsplätze sowie zur Einleitung beruflicher
Anpassungsqualifizierungen fehlen in Schünemanns "Konzept".
Im März 2009 wurde jedoch entschieden, die Kurse statt in Bramsche
in
Friedland durchzuführen. Neben Niedersachsen wollen offenbar nur
noch Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern das Kursangebot in Friedland
nutzen,
die anderen Länder nehmen die Flüchtlinge unmittelbar nach
Ablauf der 14tägigen Aufnahmeprozedur auf.
In Berlin werden die
Flüchtlinge aus dem Irak ab Mitte April 2009 aufgenommen.
Insgesamt soll Berlin im Rahmen der bundesweiten
"Verteilung" analog § 24 AufenthG nach dem "Königsteiner
Schlüssel" 5 % bzw. 125 der 2500 Flüchtlinge aufnehmen.
Sie werden zunächst im Aufnahmelager
Marienfelde untergebracht und dort u.a. bei der Antragstrellung auf
Sozialleistungen, bei der Wohnungs- und
Arbeitsuche usw. vom Irakischen
Kulturverein Al Rafadein beraten und unterstützt.
2. Rotes Kreuz fordert dauerhaftes
Programm zur
Flüchtlingsaufnahme
Das DRK forderte
anlässlich der o.g. Fachtagung über das aktuelle Kontingent
hinaus ein
dauerhaftes Programm zur Aufnahme weiterer Flüchtlinge, auch aus
anderen Regionen der Welt. Auszug aus der Pressemitteilung vom
23.01.09
"Berlin, 23. Januar 2009 007/09 ...
Noch immer existiert in Deutschland
kein standardisiertes Verfahren für die systematische und
dauerhafte Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittstaaten. "Wir
müssen das Rad nicht immer neu erfinden. Deutschland benötigt
ein Programm zur Ansiedlung für ein bestimmtes Kontingent von
Flüchtlingen. Die geplante Aufnahme der 2.500 Iraker ist ein
Anfang, aber mehr auch nicht", bemerkt DRK-Vizepräsidentin Donata
von Schenck. Die aktuelle Aufnahme könnte als Grundlage für
ein standardisiertes Programm genutzt werden, um in Notsituationen
rasch und adäquat Hilfe leisten zu können."
Ein dauerhaftes bundesdeutsches
Programm zur
Flüchtlingsaufnahme, auch von Flüchtlingen aus anderen
Regionen der Welt,
fordern auch die Unterstützer und aktiven Organisationen in der an
vielen Orten Deutschlands aktiven Kampagne "save-me".
Unterstützer der Berliner
Kampagne Save me – Eine Stadt sagt ja! "www.save-me-berlin.de" können
sich hier als "Botschafter" eintragen: http://www.save-me-berlin.de/botschafterinbotschafter-werden.html
3. Zur Flüchtlingsaufnahme in der
EU
Die EU hatte im November 2008 die Übernahme von 10.000 irakischen Flüchtlingen
aus Syrien und Jordanien beschlossen, Deutschland
will 2.500 aufnehmen.
Manche EU-Länder (vor allem die skandinavischen Länder)
führen bereits seit Jahren Resettlement-Programme durch, in deren
Rahmen in 2009 weitere 6.000
irakische Flüchtlinge aufgenommen werden sollen. Offenbar besteht
jedoch die Absicht, die bereits vorhandenen Programme in die Summe von
10.000 mit
hineinzurechnen. Vgl. zum "Resettlement" und zum Beitrag anderer
Länder (Skandinavien, USA, Kanada, Australien, usw.) die
Übersicht im für Deutschland vorgelegten Resettlement-Konzept des UNHCR
vom Januar 2008.
Von den ca. 1,5 Mio irakischen
Flüchtlingen in Syrien
und den ca. 500.000 irakischen
Flüchtlingen
in Jordanien
sind beim UNHCR nur jeweils etwa 10 bis 15 % registriert. Offenbar
fürchten manche auch Nachteile einer Registrierung. Die Genfer
Flüchtlingskonvention haben beide Länder bislang nicht
anerkannt, eine Flüchtlingsanerkennung steht man
zurückhaltend gegenüber, zumal man dann auch den
Palästinensern diesen Status zubilligen müsste. Die
Lebensbedingungen sind äußerst schwierig, legale Arbeit
verboten, Zugang zu medizinischer Versorgung mangels Geld oft nicht
möglich.
4. Die Anordnung des BMI zur
Flüchtlingsaufnahme
Das BMI hat am 05.12.2008 eine "Anordnung gemäß § 23
Abs. 2 AufenthG zur Aufnahme bestimmter Flüchtlinge aus dem Irak"
erlassen.
Die Anordnung regelt das Auswahlverfahren und den
ausländerrechtlichen Status der Flüchtlinge. Sie sieht vor,
dass bis zu 2500 "besonders
schutzbedürftige
Flüchtlinge" aus dem Irak in Syrien und Jordanien eine
Aufnahmezusage nach § 23 Abs. 2 AufenthG erhalten. Für die
Auswahl als "besonders schutzbedürftige Flüchtlinge" gelten
die in der Anordnung des BMI genannten Kriterien, insbesondere
* religiöse Minderheiten
* besonderer medizinischer Hilfebedarf
(einschl. Traumatisierter)
* alleinstehende Frauen mit
familiären Betreuungspflichten
Bei Personen mit besonderem Schutzbedarf werden als weitere
Aufnahmekriterien berücksichtigt (diese Kriterien
müssen jedoch nicht vorliegen) Integrationsfähigkeit
(Ausbildung, Berufserfahrungen, Sprachkenntnisse, familiäre
Bindungen sowie der Grad der Schutzbedürtftigkeit.
Ausgeschlossen sind u.a. Personen die im früheren
Herrschaftssystem des Irak eine bedeutsame Funktion ausgeübt
haben, Straftäter sowie Personen mit Verbindungen zu kriminellen
oder terroristischen Organisationen.
5. Zum Ablauf des Auswahlverfahren des
UNHCR und des BAMF
Siehe dazu ausführlich das Papier des UNHCR vom Januar 2009
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/UNHCR_Resettlement_0109.pdf
Das BMI hat den UNHCR
beauftragt, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge
(BAMF) Aufnahmevorschläge
für besonders schutzbedürftige Flüchtlinge zu machen.
Der Aufnahmevorschlag setzt voraus, dass der Flüchtling beim UNHCR
registriert ist, nach Deutschland möchte, und nach Auffassung des
UNHCR besondere Schutzbedürftigkeit vorliegt. Der UNHCR fertigt
ein Fall-Dossier mit Angaben
zu Schutzbedürftigkeit, beruflichen Qualifikationen, mit
aufzunehmenden Familienangehörigen usw. und leitet dies ans BAMF
in Nürnberg.
Das BAMF führt eine Vorprüfung durch und macht die
obligatorische "Sicherheitsüberprüfung".
Bei
positiver Prüfung interviewen Mitarbeiter des BAMF in Amman
und Damaskus in den Räumen des UNHCR oder der deutschen Botschaft
den Flüchtling. Das BAMF verifiziert anhand der Interviews die Angaben aus den
Dossiers und aktualisiert sie ggf (z.B. bei zwischenzeitlicher Geburt
eines Kindes usw.). Im Rahmen des Interviews sollen die
Flüchtlinge auch über die Aufnahmemodalitäten in
Deutschland aufgeklärt werden. Sodann erhält der
Flüchtling ggf. eine "Aufnahmezusage".
Im Ablehnungsfall sollen
Rechtsmittel zulässig
sein. Nach ersten Informationen (Stand März 2009) soll es bislang
zu etwa 30 % Ablehnungen durch das BAMF gekommen sein. Eine Ablehnung
durch Deutschland soll
keine Präzendenzwirkung für eine Aufnahme in anderen
EU-Ländern haben.
Die IOM führt eine Gesundheitsuntersuchung durch, deren
Ergebnis jedoch nicht zum Ausschluss von der Aufnahme führen soll.
Allerdings soll z.B. die Flugfähigkeit geprüft werden, da
viele Flüchtlinge TBC hätten und nicht ins Flugzeug gesetzt
werden könnten. Sind genügend Flüchtlinge zusammen,
werden sie mit einem von der IOM organisierten "Sammelflug" nach
Deutschland geflogen.
Alle Flüchtlinge kommen zunächst für zwei Wochen ins zentrale
Aufnahmelager des Bundes, das Grenzdurchgangslager Friedland
in der Nähe von Göttingen. Sodann werden sie - soweit nicht
noch in Friedland an einem Integrationskurs teilnehmen - nach dem auch
für Asylsuchende maßgeblichen Königsteiner
Schlüssel
auf die Bundesländer
sowie ggf. auch landesintern verteilt,
wobei
laut Anordnung
des BMI auch familiäre Bindungen und die Frage der vor Ort
vorhandenen Aufnahmestrukturen Berücksichtigung finden sollen.
Familienzusammenführung
Der UNHCR sieht sich schon
mangels Kapazität nicht in der Lage, parallel zum geschilderten
Prüfprocedere im umgekehrten Verfahren auch den an ihn
herangetragenen zahlreichen Anfragen von hier lebenden Irakern
nachzugehen, die sich aktuell um die Aufnahme
in
Syrien oder Jordanien gestrandeter Angehöriger
bemühen.
Hier käme nur der reguläre Familienachzug (s.u.) oder aber
die Möglichkeit in Frage, dass die in Syrien oder Jordanien
lebenden Angehörigen sich vor Ort beim UNHCR registrieren lassen
und den Wunsch einer Aufnahme in Deutschland äußern. Es
wurde überlegt, ob hierzu Schreiben von Beratungsstellen oder
Angehörigen in Deutschland hilfreich sein könnten, die dann
dem UNHCR vor Ort vorgelegt werden könnten. Angesichts
von 80.000 in Deutschland lebenden Irakern, die meist über
Angehörige in prekären Situationen verfügen, sollte man
sich insoweit jedoch keine zu große Hoffnung machen. Eine
entsprechende Registrierung beim UNHCR vor Ort ist aber nach wie vor
möglich, ggf. auch eine vor Ort vorzunehmende Aktualisierung der
vorhandenen
Registrierung. Im Rahmen der Registrierung wird in jedem Fall erfasst,
dass ggf. Familienangehörige bereits im Ausland leben. Dies spielt
zwar keine Rolle für die besondere Schutzbedürftigkeit
ansich, wohl aber bei der Auswahl für welches Land ggf. ein
Resettlement erfolgen soll.
Aus den Innenministerien der
Bundesländer war zu hören, dass der UNHCR im Januar 2009 erst
einen kleinen
Teil der 2500
Flüchtlinge aus seiner Liste vorgeschlagen habe. Hier lebende
Iraker könnten sich ggf. an das Landesinnenministerium
nd/oder das BAMF wenden und um die Aufnahme ins Kontingent für
Personen
bitten, die die Kriterien (Schutzwürdigkeit) erfüllen,
insbesondere wenn es klare Fälle sind (etwa alleinstehende Frau,
Minderheitenangehörige). Benötigt
wird
dazu ein
eindeutiges, umfassendes Dossier und die Registriernummer der
Flüchtlinge durch den UNHCR. Dann könne das Landesinnenministerium das BMI bzw. BAMF bitten, die
entsprechenden Flüchtlinge mit
aufzunehmen.
Rheinland-Pfalz
solle ca. 125 der 2500 Flüchtlinge aufnehmen, das sei aber nur ein
Richtwert. Der Innenminister habe entschieden, auch über die Quote
aufzunehmen, wenn dadurch verhindert werden könne, das Familien
auseinandergerissen würden. (Quelle: AK Asyl Rh-Pfalz, Rundmail v.
26.01.09)
6. Aufenthaltsrechtlicher Status,
Familiennachzug
Für die Verteilung wird § 24 Abs. 3 bis 5 AufenthG
entsprechend angewandt. Die Aufenthaltserlaubnis
wird zunächst für bis zu 3 Jahre erteilt und mit einer wohnsitzbeschränkenden Auflage
versehen, solange Sozialleistungen nach SGB II oder XII bezogen werden.
Sie wird abweichend von § 5 Abs. 1 und 2 AufenthG erteilt und bei
weiterem Vorliegen der Erteilungsvoraussetzungen verlängert,
§ 8 Abs. 1 AufenthG. Der Nachweis eigenständiger
Lebensunterhaltssivcherung ist also weder für die erste Erteilung
noch für die Verlängerng der Aufenthaltserlaubnis gefordert.
Mit der Aufnahme ist kein
förmlicher Flüchtlingsstatus verbunden, es besteht
daher auch kein Anspruch auf einen Flüchtlingspass (Reiseausweis
nach der Flüchtlingskonvention).
Später kann ggf. eine Niederlassungserlaubnis
unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 4 AufenthG erteilt werden.
Vgl. zum aufenthaltsrechtlicher Status auch die o.g. Anordnung des BMI
http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de/fr/pdf/bmi_resettlement_irak_051208.pdf
Für den Familiennachzug
zu
den hier aufgenommenen Flüchtlingen gelten mangels entsprechender
Maßgabe in der Anordnung des BMI die allgemeinen
ausländerrechtlichen Regelungen (§ 27ff. AufenthG). Das
bedeutet, dass (anders als bei zeitgleicher Einreise der gesamten
Familie im Aufnahmeverfahren) der spätere Nachzug des Ehepartners,
der z.B. durch die Flucht zeitweise getrennt wurde, nur dann zugelassen
wird, wenn der nachziehende Ehepartner im Irak, Syrien oder Jordanien
mündliche und schriftliche Deutschkenntnisse erwirbt und dies in
einer Sprachprüfung nachweist und zudem der hier lebende Partner
durch sein Einkommen den Unterhalt für beide sichern kann. Ein
Kindernachzug setzt ebenfalls ausreichendes Einkommen des hier lebenden
Elternteils voraus. Die genannten Regelung zum Familienachzug sind
offensichtlich
unangemessen und wurden daher auf der Tagung des DRK deutlich
kritisiert.
Nicht nur aus diesem Grund kann ggf. überlegt werden, nach der
Einreise einen Asylantrag zu
stellen, da mit einer Flüchtlingsanerkennung auch ein
Familinnachzug ohne Sprachkenntnisse und Lebensunterhaltsicherung
möglich wird.
Hinweis: Eine ausführliche und kritische Kommentierung zu Aufenthaltstatus, Familiennachzug,
Wohnsitzauflage und zur Frage der Asylantragstellung von Ronald Reimann
mit
dem Titel "Aufnahme irakischer
Flüchtlinge aus Syrien und
Jordanien" findet sich in Heft 4/2009 des Asylmagazins www.asyl.net.
7. Sozialer Status und Sozialleistungen
Die Aufenthaltserlaubnis nach § 23 II berechtigt zur Erwerbstätigkeit (§ 23
Abs. 2 Satz 5 AufenthG). Somit besteht ausländerrechtlich ein
unbeschränkter Zugang zu Beschäftigungen jeder Art sowie zu
selbständigen Tätigkeiten.
Es besteht ab Einreise, spätestens aber ab Erteilung des
Aufenthaltstitels Anspruch auf
Sozialleistungen in gleicher Weise wie für Deutsche,
insbesondere auf Leistungen nach SGB II (ALG II, einschl.
Vermittlungsgutschein und beruflicher Qualifizierungsmaßnahmen)
bzw. SGB XII (Sozialhilfe bei
Erwerbsunfähigkeit und ab 65 Jahren). Das
Asylbewerberleistungsgesetz ist nicht anwendbar. Somit besteht wie bei
Deutschen auch ein Anspruch auf Regelleistungen in Form von Bargeld
(bzw. Überweisung aufs Konto),
auf Mietkostenübernahme für eine Wohnung und auf eine
Krankenversichertenkarte.
- Eine Kürzung
des ALG
II-Regelsatzes wegen in einer Einrichtung wie z.B. einem
Krankenhaus, einer Gemeinschaftsunterkunft o.ä. erhaltener Vollverpflegung ist nach der zum SGB
II
erlassenen, insoweit zum 1.1.2009
geänderten ALG
II-Verordnung (siehe dort § 1 Abs. 1 Nr. 11) unzulässig. Das ALG II muss daher auch bei ggf.
(als Sachleistung)
gewährter Vollverpflegung ungekürzt zur Auszahlung kommen.
- Hingegen dürfte bei der Sozialhilfe
gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 SGB XII eine Regelsatzkürzung
wegen erhaltener Sachleistungen z.B. für Vollverpflegung
in einer Gemeinschaftsunterkunft grundsätzlich zulässig sein.
Allerdings enthält das
Sozialhilferecht in § 9 SGB XII ein Wunsch- und Wahlrecht der
Betroffenen bezüglich der Form der Leistung. Diesem
Wunschrecht ist zu entsprechen, soweit das nicht zu
unverhältnismäßigen Mehrkosten führt. Und
gemäß § 10 Abs. 3 SGB XII ist die Sozialhilfe vorrangig
als
Geldleistung zu erbringen. Widerspricht ein
Sozialhilfeberechtigter der Vollverpflegung,
kann
er deshalb auch in der
Gemeinschaftsunterkunft anstelle der Vollverpflegung ungekürzte
Regelsätze als Geldleistung
beanspruchen.
- Die neu angekommenen Flüchtlinge haben zusätzlich zu
den Regelleistungen nach SGB II/XII Anspruch auf Beihilfen zur
umfänglichen Erstausstattung mit
Kleidung und Schuhen sowie bei Bezug einer Wohnung auf Beihilfen
zur Erstausstattung mit dem notwendigem Hausrat und Möbeln
einschließlich Haushaltsgeräten (§ 23 Abs. 3 SGB II,
§ 31 Abs. 1 SGB XII).
Aufgrund der Aufenthaltserlaubnis nach § 23 II besteht ggf. auch
ein Anspruch auf Familienleistungen
(Kinder- und Elterngeld, Unterhaltsvorschuss, ggf. Kinderzuschlag), auf
Ausbildungsförderung
(BAföG und BAB), auf Kinder- und
Jugendhilfe nach dem SGB VIII (u.a. Kindergartenplatz), auf
Wohngeld (wenn kein Leistungsbezug nach BAföG, SGB II, SGB XII
vorliegt) sowie auf einen Wohnberechtigungsschein
für eine Sozialwohnung (WBS nach § 27 WoFG i.V.m. § 5
WoBindG). Bereits in Friedland sollen zumindest die Anträge auf
Leistungen nach SGB II/XII gestellt und bearbeitet werden.
Anspruch auf Leistungen und eine Krankenversichertenkarte
einer gesetzlichen Krankenversicherung nach Wahl besteht aufgrund der
Pflichtversicherung (bei ALG II-Bezug) bzw. im Rahmen des Verfahrens
zur Übernahme der Krankenbehandlung durch das Sozialamt
gemäß § 264 SGB V (bei Bezug von Sozialhilfe nach SGB
XII). Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung besteht mangels
der hierfür nötigen 5jährigen Vorversicherungszeit
zunächst nicht. Leistungen für Pflegebedürftige sind
daher regelmäßig vom Sozialamt (Hilfe zur Pflege nach SGB
XII) zu tragen. Behinderte
können wie Deutsche einen Schwerbehindertenausweis beanspruchen.
Es besteht die Berechtigung und im Regelfall auch die Verpflichtung am Integrationskurs teilzunehmen, vgl.
§ 43 ff AufenthG und IntV.
Zum Sozialrecht siehe auch das Handbuch
"Sozialleistungen
für MigrantInnen und Flüchtlinge".
***
Zusammenstellung:
Georg Classen
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