Aufenthaltsrecht: Fallen Alte und Kranke aus
dem Raster ?
Innenausschuss - Expertenanhörung
am 05.06.2007
Berlin:
(hib/MVF) Für Ausländer, die bis zum 1. Juli 2007 mindestens
acht Jahre
in Deutschland gelebt haben, wird eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis
künftig an einen festen Arbeitsplatz geknüpft. Bis Ende 2009
müssen die
Betroffenen einen solchen vorweisen. Ausnahmen - etwa für Alte und
Kranke - soll es dabei nicht geben. Diesen humanitären Aspekt
diskutierten die Sachverständigen am Dienstagnachmittag im dritten
Teil
der Anhörung des Innenausschusses zum
EU-Richtlinienumsetzungsgesetz (
16/5065),
welches das Aufenthalts- und Asylrecht neu regelt.
Professor Kay
Hailbronner (Universität Konstanz) sah keinen Platz für
Ermessensspielraum im Gesetz. Die Sicherung des Lebensunterhalts sei
klar durch die Erwerbstätigkeit festgelegt. Deswegen
plädierte Dr.
Gottfried Köfner (Regionalvertreter des hohen
Flüchtlingskommissars der
Vereinten Nationen, UNHCR) für die Notwendigkeit einer
Öffnungsklausel
für humanitäre Fälle: "Nicht jeder kann finanziell
für sich sorgen.
Alte, Kranke, Traumatisierte oder Behinderte sind dazu nicht in der
Lage", machte er deutlich. Köfner befürchtete, dass nun eine
neue
Gruppe von Ausländern entstehen könnte, die zwar keine
Aufenthaltserlaubnis mehr besitzt, aber trotzdem nicht ausgewiesen
werden kann. Dies werde einer Lösung im Sinne der Nachhaltigkeit
nicht
gerecht.
Katharina Wegner (Diakonisches Werk der Evangelischen Kirche)
ergänzte: "Wer eine humanitäre Lösung anstrebt, muss
auch die
Einwanderung in das Sozialsystem zulassen." Weiterhin kritisierte sie
die ihrer Meinung nach zu kurzen Fristen, da auch Ausländer, die
noch
nicht acht Jahre in Deutschland verbracht haben, bereits voll in den
Arbeitsmarkt integriert seien. Mit der Stichtagsregelung zum 1. Juli
2007 fielen sie jedoch aus dem Raster.
Nach Meinung von Klaus Dienelt
(Bundesverwaltungsgericht) und Stefan Kessler
(Jesuiten-Flüchtlingsdienst) wird mit der neuen Regelung auch eine
alte
Lücke geschlossen, denn Ausländer könnten jetzt, trotz
auslaufender
Arbeitsgenehmigung, weiter ihrer Tätigkeit nachgehen. Dies
brächte eine
"konsequente Verbesserung", unterstrich Kessler. Dennoch betonte auch
er die Problematik alter und kranker Menschen. Rechtsanwalt Reinhard
Marx kritisierte dagegen die starren Regelsätze. Aus seiner
Erfahrung
wisse er, dass viele Familien bereits mit weniger Geld auskommen, ohne
auf Sozialleistungen zurückzugreifen.
***
Aufenthaltsrecht:
Experten nicht einig über Behandlung von kranken und alten
Ausländern
Experten sind
sich uneins darüber, wie Ausländer, die schon seit
längerem in Deutschland leben, aber wegen Alters oder Krankheit
keiner Erwerbstätigkeit nachgehen können,
aufenthaltsrechtlich behandelt werden sollten. Dies wurde bei einer
Anhörung des Innenausschusses des Bundestages zum Entwurf
eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher
Richtlinien der Europäischen Union (BT-Drs. 16/5065) am
05.06.2007 deutlich. Der Entwurf sieht für Ausländer,
die bis zum 01.07.2007 mindestens acht Jahre in Deutschland gelebt
haben, eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis vor. Voraussetzung ist ein
fester Arbeitsplatz, den die Betroffenen bis Ende 2009 vorweisen
müssen. Ausnahmen - etwa für Alte und Kranke - soll es dabei
nicht geben.
Öffnungsklausel für
humanitäre Fälle diskutiert
Kay Hailbronner, Professor an der
Universität Konstanz sah keinen Platz für Ermessensspielraum
im Gesetz. Die Sicherung des Lebensunterhalts sei klar durch die
Erwerbstätigkeit festgelegt. Deswegen plädierte Gottfried
Köfner, Regionalvertreter des hohen Flüchtlingskommissars der
Vereinten Nationen, für eine Öffnungsklausel für
humanitäre Fälle. Nicht jeder könne finanziell für
sich sorgen. «Alte, Kranke, Traumatisierte oder Behinderte sind
dazu nicht in der Lage», machte er deutlich. Köfner
befürchtet, dass eine neue Gruppe von Ausländern entstehen
könnte, die zwar keine Aufenthaltserlaubnis mehr besitzt, aber
trotzdem nicht ausgewiesen werden kann. Dies werde einer Lösung im
Sinne der Nachhaltigkeit nicht gerecht.
Fristen als zu kurz beanstandet
Katharina Wegner vom Diakonischen
Werk der Evangelischen Kirche ergänzte: «Wer eine
humanitäre Lösung anstrebt, muss auch die Einwanderung in das
Sozialsystem zulassen.» Sie kritisierte zudem, dass die
vorgesehenen Fristen zu kurz seien. Auch Ausländer, die noch nicht
acht Jahre in Deutschland verbracht hätten, könnten voll in
den Arbeitsmarkt integriert sein, gab Wegner zu bedenken. Mit der
Stichtagsregelung zum 01.07.2007 fielen sie jedoch aus dem Raster.
Regelsätze als zu starr
empfunden
Nach Meinung von Klaus Dienelt vom
Bundesverwaltungsgericht und Stefan Kessler vom
Jesuiten-Flüchtlingsdienst wird mit der neuen Regelung auch eine
alte Lücke geschlossen. Ausländer könnten jetzt trotz
auslaufender Arbeitsgenehmigung weiter ihrer Tätigkeit nachgehen.
Dies brächte eine «konsequente Verbesserung»,
unterstrich Kessler. Dennoch betonte auch er die Problematik alter und
kranker Menschen. Rechtsanwalt Reinhard Marx kritisierte dagegen die
starren Regelsätze. Aus seiner Erfahrung wisse er, dass viele
Familien bereits mit weniger Geld auskommen, ohne auf Sozialleistungen
zurückzugreifen.
(c)
beck-aktuell-Redaktion, Verlag C. H. Beck, 11. Juni 2007.