Pressemitteilung, 25.7.2002:

"Wir können das Europa der Zukunft hier beginnen"

Im Düsseldorfer Roma-Camp zeigten Kirchenleute, Politiker, Friedensbewegte und Prominente deutliche Solidarität

Kurzfristig hatten vor allem Kirchenleute, Friedensgruppen, zwei Asyl-Organisationen und das Obdachlosenmagazin fiftyfifty zur Solidarität mit den 500 Roma auf dem Flinger Schützenplatz eingeladen. Malen für die Kinder beim Stand der ev. Kirche, Trinken, Essen, miteinander reden und ein großes Kreisforum bildeten den Rahmen. Fast 200 Düsseldorfer kamen zu diesem Fest der Begegnung von 18 bis 22 Uhr. Hinzu gesellte sich Prominenz, darunter der Schriftsteller Günter Wallraff, die Künstler Peter Royen, Prof. Wilfrid Polke und Claudia Rogge, der Lebenskünstler Peter von der Kö, Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald und ihr Vorgänger Gerhard Gericke, Franziskanerbruder Matthäus und Dominikanerpater Wolfgang Sieffert. Sie alle erklärten inmitten eines großen Kreisforums ihre deutliche Sympathie: "Wir wollen Euch hier im Land haben, ja wir brauchen euch als Menschen!" Hubert Ostendorf kam von einem Wohnungslosentreffen mit dem ausdrücklichen Auftrag, die Solidarität der Ärmsten in der Stadt zu überbringen. Am späten Abend waren sich alle Initiatoren einig: Hier geht es um mehr als um politische Aktion. Dies war ein wunderbares Fest und wirkliche Begegnung zwischen unterschiedlichsten Menschen.

Kritik am Oberbürgermeister seitens der Anwohner
Unter den anwesenden Politikern stellte sich auch Anneliese Böcker (CDU) den kritischen Fragen. Sie erhielt zwar keine Zustimmung für ihre vorgetragenen Positionen, wurde aber für ihre Bereitschaft zum Zuhören gelobt. Im Vorfeld hatte die ev. Stadtsuperintendentin Cornelia Osswald in einem sehr kritischen Brief die Gesprächs- und Hilfsbereitschaft des Oberbürgermeisters Erwin (CDU) eingefordert. ­ Ihr kam auch wegen des praktischen Engagements herzliche Sympathie von allen Seiten entgegen. ­ Auf dem Fest wurde nun auch seitens der Anwohner die Kritik am Stadtoberhaupt bestätigt. Ein Initiator der Unterschriftenliste gegen die Umstände des Roma-Camps richtete sich über Mikrofon an die Roma: "Wir haben nichts gegen Euch. Ihr seid Menschen wie wir. Doch wir möchten für alle Seiten gute Verhältnisse auf dem Platz. Das fordern wir von der Politik und vor allem vom Oberbürgermeister ein!" Die Ärgernisse, so formulierten andere Anwohner, ließen sich doch ganz praktisch lösen: "Müssen denn alle Toiletten zusammen ausgerechnet in der Nähe anliegender Häuser aufgestellt werden?" Dass sich gerade viele kritische Anwohner inmitten des Festes zu Wort meldeten und sich für Gespräche öffneten, werten die Initiatoren als großen Erfolg. Ein jugendlicher Romavertreter sprach eine herzliche Einladung aus: "Kommt zu uns auf den Platz. Spielt Fußball mit uns. Wir können uns doch kennen lernen!"

Appell an den Innenminister aus den Reihen der SPD
Ratsfrau Marion Enke teilte mit, SPD, Grüne und die regierende FDP hätten den Oberbürgermeister zum Einlenken aufgefordert. Immer wieder wurde neben den kommunalpolitischen Verantwortungsträgern im Düsseldorfer Rat der Innenminister in den Beiträgen genannt. Er sei Ansprechpartner für jene Abschiebungspolitik, die wie ein Damoklesschwert über den mehr als 500 Roma schwebt. Der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Flingerbroich, H.-W. Schuster, forderte den "Genossen Fritz Behrens" in einem Offenen Brief vom 24.7. auf, die "Forderungen der Roma als berechtigt anzuerkennen und dafür Sorge zu tragen, dass es zu keiner weiteren Abschiebung mehr kommt."
Eines der Transparente am Hellweg verkündet: "Roma sind auch Europäer!" Daran knüpfte Roma-Sprecher Dzoni Sichelschmidt an: "Mittlerweile leben 15 Millionen Roma in Europa. Es gibt kaum eine Minderheit, über die man so wenig weiß und über die man gleichzeitig so viele Vorurteile pflegt. Das geht seit mehr als 500 Jahren so. In dieser Kette steht die Entscheidung des NRW-Innenministers, Kinder und Jugendliche, die hier geboren sind, die deutschsprachig aufwachsen und die hier deutsche Freunde haben, abzuschieben und damit gute Pflanzungen der Integration einfach auszureißen. Genau hier liegt aber eine große Chance, das Europa der Zukunft heute zeichenhaft vorwegzunehmen!" Das müsste offiziell in der Asylpolitik kein Problem sein. Deutschland könnte die Roma ­ mit Blick auf die realen Verhältnisse in den Herkunftsgebieten der Flüchtlinge ­ endlich als Minderheit anerkennen.

Kein Blick in die Geschichte?
In der kleinen Zeltausstellung vor Ort erläuterte Frau Mirkowitsch vom "Roma-Center of Integration" für alle Interessierten Wegmarken einer langen Geschichte. Mehr als eine halbe Millionen Sinti und Roma wurden von den Nazis ermordet, nicht nur in Deutschland, sondern auch in den deutsch besetzten Gebieten Europas. Dazu gehörten auch Teile des ehemaligen Jugoslawiens, dem Herkunftsland der Düsseldorfer Roma. Dazu heißt es in einem Brief des Innenministeriums vom 19.7. an den Flüchtlingsrat Ratingen wörtlich, "historische Begebenheiten" könnten "keine Grundlage für eine Bleiberechtsregelung" sein. Auch dazu nahm Dzoni Sichelschmidt von der Roma-Union Stellung: "Die Geschichte der Nazi-Verfolgung ist heute in der Tat kein zwingendes Argument. Hier lebt eine andere deutsche Generation in einem anderen deutschen Staat. Doch die Geschichte bildet einen Hintergrund, vor dem Landes- und Kommunalpolitiker eine besondere Sensibilität wie bei anderen Verfolgungsgruppen auch zeigen könnten. Eine Bereitschaft zum Zuhören und praktische Gesten vor Ort wären ein deutliches Zeichen."

Wir sind die Beschenkten
Zum Schluss des langen Abends fanden sich fast alle Besucher in den Worten der ev. Stadtsuperintendentin wieder: "Nicht wir waren hier die Gastgeber. Wir waren heute Gäste, die durch herzliche Menschlichkeit beschenkt worden sind."

Hinweis:
Digitale Fotos des Abends und des Prominenten-Camps können Sie per Mail bei Hubert Ostendorf (Fiftyfifty) anfordern: fiftyfifty@zakk.de

Verantwortlich für diese Presseerklärung ­ im Auftrag der beteiligten Initiatoren:
Peter Bürger, Lichtstr. 47, 40235 Düsseldorf
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(Ökumenisches Friedensnetz Düsseldorfer Christinnen