Subject: Roma-Proteste in Düsseldorf - in Sorge um Ihre Berichterstattung - "Der Rhein kann diesmal nicht helfen" ?
Date:  Mon, 15 Jul 2002 23:03:40 +0200
From: Georg Classen <georg.classen@berlin.de>
To: willi.hoenscheid@rp-online.de
 
 

Brief an den Chefredakteur der Rheinischen Post Düsseldorf

Sehr geehrter Herr Hönscheid,

mit großer Sorge verfolgen wir die Berichterstattung Ihres Düsseldorfer Lokalchefs Onkelbach zu den Roma-Protesten in Düsseldorf
http://www.rheinische-post.rp-online.de/zeitung-2002-07-15/stimme_des_westens/p-23.shtml .

Wer - wie heute geschehen - zutreffend auf die Vernichtung von mehr als 500.000 Roma in Deutschland und Osteuropa durch die Nazis Bezug nimmt um nur einen Absatz später zu erklären "Der Rhein kann diesmal nicht helfen: Der den Roma neu zugewiesene Platz ist weit vom Strom entfernt", der scheint nicht ganz bei Trost zu sein.

In Rostock-Lichtenhagen hatte übrigens vor fast genau 10 Jahren die Ostsee-Zeitung den rechten Pöbel gegen Roma-Flüchtlinge angeheizt. Möchte in Düsseldorf die Rheinische Post diese Rolle übernehmen und den rechten Pöbel organisieren?

Würden Sie - ginge es um Juden - auch erklären: "Der Rhein kann diesmal nicht helfen...?"

Und nochwas: Im Unterschied etwa zur Presseberichterstattung zu den Aktionen der Roma-Karawane in Berlin vom 7. bis 12. Juni 2002 finden wir in der RP praktisch nichts zu den guten Gründen der Protestaktion der Roma:

- bislang keine Chance auf ein Bleiberecht trotz teils mehr als 10 jährigem Aufenthalt, auch für hier geborene und aufgewachsene Kinder,

- bislang keine Chance auf ein Bleiberecht wegen des auch in NRW geltenden faktischen Arbeitsverbotes für geduldete Flüchtlinge (Vorrang Deutscher und Berufsverbotelisten der Arbeitsämter für geduldete Flüchtlinge, sechs Wochen Prüffrist für eine Arbeitserlaubnis bei oft nur sechs Wochen geltenden Duldungen),

- das Fehlen jeder sozialen Existenzmöglichkeit für aus Deutschland zurückggekehrte Roma in der BR Jugoslawien - in Serbien/Montenegro faktisch kein Zugang zu Bildung, Arbeit, Schule, medizinischer Versorgung, Wohnung, faktisch auch keinerlei kein Rechtsschutz gegen ständige Übergriffe Rechtsradikaler und der Polizei, und im Kosovo darüber hinaus unmittelbare Gefahr für Leib und Leben.

Und: unsere besondere historische Verantwortung haben wir gegenüber Roma genauso wie gegenüber Juden, Homosexuellen, Kommunisten und Sozialdemokraten wahrzunehmen. Wer sich darüber lustig macht wie Ihr Kollege Onkelbach, scheint sich politisch jenseits einer demokratischen Gesellschaft zu bewegen.

mfg

Georg Classen
Flüchtlingsrat Berlin, Georgenkirchstr 69-70, 10249 Berlin
Tel ++49-30-24344-5762, FAX ++49-30-24344-5763
E-mail: georg.classen@berlin.de
http://www.fluechtlingsrat-berlin.de

P.S. Selbstverständlich dürfen Sie unseren Beitrag gern als Leserbrief veröffentlichen.