Berlin, den 5. Juli 2002
MEHR IST MANCHMAL WENIGER
Berliner Sozialverwaltung kürzt
Leistungen für Asylbewerber ab 01.07.2002 mit Hilfe von Rechentricks
um 4,13 Euro/Person/Monat
Sozialhilfe-Regelsatzerhöhung zum 01. Juli 2002 - in Berlin nur eine verschleierte Kürzung?
Zum 01.07.2002 werden - wie jedes Jahr - die Regelsätze der Sozialhilfe gemäß der Vorschrift des § 22 Bundessozialhilfegesetz, wonach die Erhöhung der Sozialhilfe sich an der Rentenerhöhung der alten Bundesländer orientieren muß, bundesweit um 2,16 % erhöht.
Für Berlin bedeutet dies, dass der
Regelsatz für einen Haushaltsvcorstand von 286,83 Euro auf 293,- Euro/Person/Monat
erhöht wird. Das ist eine - üppige? - Erhöhung von immerhin
6,17 Euro/Monat.
ABER:
Nach einer Vorgabe der PDS-Sozialverwaltung fallen in Berlin von dieser Erhöhung rein rechnerisch allein 4,13 Euro der Erhöhung dem im Sozialhilfe-Regelsatz enthalten Anteils für Haushaltsenergie, d.h. für den Bedarf an Licht, Warmwasser und Kochen zu (vgl. Rundschreiben SenGesSozV I Nr. 10/2002 v. 03.06.2002).
Benachteiligt werden dadurch in der Praxis
all jene, bei denen der Energiekostenanteil vom Regelsatz vom Sozialamt
einbehalten wird, weil sie in Wohnheimen und anderen Einrichtungen ohne
individuelle Strom- und Gaszähler und -abrechnung leben oder ihre
Untermietverträge die Zahlungen für Strom und Gas bereits beinhalten.
Sie erhalten - zusätzlich zur Kostenübernahme für die Unterkunft
- im Ergebnis nur 2,04 Euro/Monat mehr!
ZUM BETRUG GERÄT DAS GANZE JEDOCH, WENN MAN DIE SITUATION DER FLÜCHTLINGE BETRACHTET, DIE SOZIALHILFE NACH DEM ASYLBEWERBERLEISTUNGSGESETZ BEZIEHEN:
Auch zum 01.01.2002 wurden von der Bundesregierung - wie bereits jedes Jahr seit Inkrafttreten des Asylbewerberleistungsgesetzes(AsylbLG) am 1.11.1993 - die Grundleistungsbeträge entgegen der Vorschrift des § 3 Abs. 3 AsylbLG, wonach die Grundleistungen nach dem AsylbLG jährlich zum 1.1. an die gestiegenen Lebenshaltungskosten angepasst werden müssen, rechtswidrig wiederum NICHT erhöht.
Nach dem AsylbLG erhält ein Alleinstehender - wie gesagt seit 01.11.1993 unverändert - einen Grundleistungsbetrag in Höhe von 224,97 Euro/Monat. In diesem Betrag ist - im Unterschied zum Sozialhilfe - der Bedarf für Kleidung von ca. 30 Euro/Monat bereits enthalten, so dass die Leistung nach AsylbLG - im Vergleich zum Sozialhilfe-Regelsatz - bereits um ca. 30 % gekürzt ist.
Von den Leistungen nach AsylbLG werden oft nur 40,90 Euro im Monat in bar ausgezahlt, der Rest von 184,07 Euro/Monat wird zumeist nur in Form von - auf ganz wenige Läden beschränkte - Chipkarten oder Gutscheinen gewährt.
Flüchtlinge in Wohnheimen erhalten allerdings auch nicht den ganzen Betrag von 184,07 Euro/Monat, da bei ihnen - wie in der Sozialhilfe - vom Sozialamt ebenfalls ein Energieanteil für den Bedarf an Licht, Warmwasser und Kochen einbehalten wird, da sie im Wohnheim keine individuelle Energieabrechnung erhalten und die Energiekosten bereits mit den an die Betreiber der Unterkunft gezahlten Tagessätze für die Unterbringung abgegolten sind. Obwohl die Leistungen nach AsylbLG erheblich unter denen der Sozialhilfe liegen, ist in Berlin der vom Grundleistungsbetrag nach AsylbLG einbehaltene Energieanteil mit dem Betrag für Sozialhilfeberechtigte identisch!
Bis Juni 2002 bedeutete dies, dass Asylbewerbern und Kriegsflüchtlingen in Wohnheimen eine Energiepauschale in Höhe von 25,87 Euro abgezogen wurde und sie 158,20 Euro/Person/Monat als Betrag auf der Chipkarte bzw. in Gutscheinen erhielten
Ab Juli 2002 soll den in Wohnheimen lebenden
Flüchtlingen - laut genannter Vorgabe der Sozialsenatorin -
eine auf 30,- Euro/Monat erhöhte Energiepauschale abgezogen werden.
Die Wohnheimbetreiber erhalten den erhöhten Betrag jedoch ebenfalls
nicht. Er wird von den Sozialämtern schlicht einbehalten!
Georg Classen
[alle genannten Beträge
nach BSHG und AsylbLG gelten für Alleinstehende und Haushaltsvorstände.
Ehepartner, Kinder und Jugendliche erhalten bis zu 50 % geringere Leistungen
nach dem BSHG und dem AsylbLG]